Es ist bisher keine Selbstverständlichkeit, soll aber eine werden: Frauenhäuser mit mindestens einer barrierefreien Wohneinheit. In einem Frauenhaus des Regierungsbezirkes Arnsberg wurde kürzlich eine solche barrierefreie Wohneinheit eingerichtet. Um diese Wohnräume und das Frauenhaus insgesamt einmal unter dem Gesichtspunkt Barrierefreiheit zu betrachten, wendeten sich Mitarbeitende des Frauenhauses an das Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben (KSL) für den Regierungsbezirk Arnsberg mit Sitz in Dortmund.
Die Projektmitarbeiterinnen mit eigener Behinderungserfahrung Christiane Rischer und Maren Zebrowski vom KSL.Arnsberg und Vertreterinnen des Frauenhauses verabredeten sich zu einer gemeinsamen Besichtigung vor Ort. Christiane Rischer durfte den noch mit der Originalfolie verpackten Treppenlift einweihen. Dann wurden die Gemeinschaftsräume und die barrierefreie Wohneinheit begutachtet.
Ein schön geräumiges Wohnzimmer und das barrierefreie Bad bekamen ein uneingeschränktes Lob: „Top!.“ Ebenso der schwellenlose Ausgang zum Balkon, in Mietwohnungen eine Seltenheit. Lediglich die Einbauküche war noch nicht perfekt, denn für rollstuhlfahrende Frauen, von denen im Frauenhaus erwartet wird, sich und ihre Kinder selbständig zu versorgen, bedarf es einer unterfahrbaren Arbeitsplatte in Rollstuhlhöhe. Schränke, Herd und Spüle müssen vom Rollstuhl aus erreichbar sein.
Dass es in dieser Hinsicht noch Anpassungsbedarf geben würde, war den Mitarbeiterinnen vor Ort vorab klar. Auch eine schwere Brandschutztür war ihnen schon problematisch erschienen, da auch Menschen ohne Behinderung diese nur schwer öffnen können. Wie mit diesen baulichen Besonderheiten umgegangen werden kann, ist nun vor Ort weiter zu überlegen.
Christiane Rischer und Maren Zebrowski kamen mit einem großen Informationspaket in die Einrichtung. KSL.NRW Broschüren zum Thema Barrierefreiheit waren ebenso dabei wie Informationen zu den Rechtsansprüchen von Eltern mit Behinderung und dem Persönlichen Budget. Dies ist eine Leistungsform der Eingliederungshilfe, bei der die leistungsberechtigte Person Geld erhält, um sich davon die benötigten Hilfen einzukaufen.
Eine gemeinsam diskutierte Frage der Frauen vor Ort war, wie der Hilfebedarf einer Frau mit Behinderung gedeckt werden könnte. Die Frauen wohnen in der Regel in einem Frauenhaus außerhalb ihres Wohnortes, um sie und ihre Kinder vor Gewalt zu schützen. Daher kann nicht auf das bewährte Unterstützungssystem zurückgegriffen werden. Oft wird auch ein Teil des Pflegebedarfs innerhalb einer Partnerschaft vom Partner übernommen.
Für Frauen, die die häusliche Gemeinschaft verlassen, bedeutet das unter Umständen eine komplette Neubeantragung der Leistung, um ihren Hilfebedarf abdecken zu können. Eine zusätzliche Hürde stellt die Notwendigkeit dar, die Adresse des Frauenhauses geheim zu halten. Damit verbunden soll die Anzahl der Personen, die Zugang zum Frauenhaus haben, begrenzt bleiben. Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern sind jedoch weder von ihrer Ausbildung noch vom zeitlichen Arbeitsaufwand her dazu in der Lage, diese Pflege zu übernehmen. Im gemeinsamen Gespräch wurde überlegt, ob möglicherweise ein Pflegedienst kontaktiert werden kann, um für diesen Fall eine Vereinbarung zu treffen.
Ein wichtiger Aspekt beim Thema Barrierefreiheit ist auch die Kommunikation mit neu ankommenden Frauen: Es ist nicht selbstverständlich, dass sie die deutsche Alltagssprache verstehen und sprechen. Maren Zebrowski, die beim KSL den Bereich der Einfachen und Leichten Sprache vertritt, sprach dieses Thema an und war erfreut zu hören, dass die Mitarbeiterinnen diesen Punkt ganz bewusst beachten. Beispielsweise, wenn sie mit den neu Ankommenden die Hausordnung durchgehen.
Alles in allem ermöglichte dieses Treffen einen guten Austausch über die verschiedenen Aspekte, die ein Frauenhaus auch für Menschen mit Behinderung zu einem guten Zufluchtsort machen, und last but not least: ein persönliches Kennenlernen. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses sind froh, nun auch Frauen mit Behinderung einen Schutzraum anbieten zu können.
Auch vor dem Hintergrund der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) § 6 (1) und (2) ist eine Weiterentwicklung des Frauenhaus - Angebotes wichtig.
Falls andere Frauenhäuser sich ebenfalls auf den Weg machen wollen, ihre Räume barrierefrei umzugestalten, können sie hier nähere Informationen insbesondere auch zu den Fördermöglichkeiten finden:
Link, PDF Handreichung Schutz von Frauen vor Gewalt: www.gemeinsam-gegen-gewalt-an-frauen.de/fileadmin/GgGaF/Bundesfoerderpr…
Link zur Schriftenreihe KSL.NRW Broschüren der Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben NRW: www.ksl-nrw.de/de/ksl-konkret
Symbolbild: Pexels