Corona macht's möglich - die deutsche Politik legt seit März ein atemberaubendes Tempo an den Tag. Von heute auf morgen wurden Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung eingeführt, ein milliardenschwerer Schutzschirm nach dem anderen aufgespannt und die Senkung der Mehrwertsteuer auf den Weg gebracht. "Natürlich bestand enormer Zeitdruck", äußert sich Klaus Hahn, Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e.V. (DBSV) in der aktuellen Ausgabe des Verbandsnewsletters. Jetzt müsse dringend nachjustiert werden.
So gibt es für blinde und sehbehinderte Menschen, die eine Begleitperson benötigen, immer wieder Schwierigkeiten beim Taxifahren oder Einkaufen, weil Regelungen zur Mitnahme von Assistenz in den Infektionsschutzregelungen fehlen oder nicht ausreichend kommuniziert wurden. Blinden und sehbehinderten Berufstätigen werden plötzlich Videokonferenzlösungen und andere digitale Arbeitsmittel vor die Nase gesetzt, die sie aufgrund von Mängeln in der Barrierefreiheit gar nicht oder nur eingeschränkt nutzen können. Aus ganz Deutschland berichten Eltern blinder und sehbehinderter Schulkinder von Problemen bei der Versorgung mit barrierefreien Lernmaterialien, und auch bei den Kommunikationsmaßnahmen zur Corona-Krise wird nicht konsequent auf Barrierefreiheit geachtet. "Leider ließe sich die Liste noch fortsetzen", so der DBSV.
„In den nächsten Wochen bietet sich der Bundesregierung die Chance, vom Reagieren aufs Regieren umzuschalten“, heißt es in der Newsletter-Ausgabe. Die enormen Investitionen, die im Rahmen des Konjunkturpakets geplant sind, müssten genutzt werden, um eine gleichberechtigte Teilhabe voranzubringen. So wird beispielsweise gerade über die Digitalisierung der Schulbildung diskutiert, um im Fall einer zweiten Infektionswelle besser für die Herausforderungen des Heimunterrichts gerüstet zu sein. „Ob die damit verbundenen Anwendungen auch für Schülerinnen und Schüler mit Seheinschränkung zugänglich sind, scheint bisher niemanden zu interessieren“, so Klaus Hahn. Für den DBSV-Präsidenten ein Unding: "Wir erwarten, dass bei der Umsetzung des Konjunkturpakets Barrierefreiheit in allen Handlungsfeldern konsequent mitgedacht und umgesetzt wird."
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